Freitag, 1. April 2022

Tagebuch einer Mutter - Schichtdienst

Heute, kurz bevor ich in Windeseile das Haus verlassen musste, um durch den Schnee zur Arbeit zu fahren, kam mir der Gedanke, dass es mal wieder Zeit wäre einen Tagebucheintrag als Mutter zu formulieren. 
Damals als ich noch jung und unerfahren war und nur das schnelle Geld von Bedeutung war, entschied ich mich dazu Kinderkrankenschwester zu werden. Ich hatte nie den Wunsch Kinderkrankenschwester zu werden, oder Krankenschwester, oder ähnliches. Auch wollte ich eigentlich nie Kinder bekommen. Doch unverhofft kommt ja bekanntlich oft und das Schicksal klopfte an meine Tür und meinte, es wäre an der Zeit meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Ich wollte Photodesign studieren. Habe mich eher avantgarde und künstlerisch gesehen, doch ein Studium rückte aufgrund von plötzlichem Nachwuchs eher in den Hintergrund. Es rückte so weit ab, dass ich mir akut einen neuen Plan für meinen beruflichen Werdegang zurecht legen musste. Mit einem abgeschlossenem Studium kann man vielleicht irgendwann gut Geld verdienen. Aber halt auch erst irgendwann. Und auch nur vielleicht. So viele Unsicherheiten. die konnte ich jetzt nicht mehr gebrauchen, ich hatte schließlich Verantwortung für einen kleinen Menschen gewonnen. Auf irgendwann wollte ich nicht warten. Also musste eine Ausbildung her. Nur was?
In der 8. oder 9. Klasse hatten wir mal so eine Projektwoche, wo es um die Entdeckung der eigenen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Interessen ging, um später bei der Berufswahl nicht völlig im Dunkeln umher zu irren. Ehrlich gesagt, hatte mir das erwachsen werden die Augen zu gebunden und das Leben schubste mich lachend unwillkürlich umher. Ein vermeintlich kurzes Licht, ließ mich daran erinnern, dass man als Kinderkrankenschwester bereits in der Ausbildung schon mehr verdient als so manch anderer Ausbildungsjob...damals. Also wurde ich Kinderkrankenschwester. 
Die Ausbildung war nicht immer leicht. Nicht, weil der Stoff so schwer war. ganz und gar nicht. Endlich lernte ich etwas, was ich auch praktisch anwenden konnte. Quasi direkt. Das Lernen fiel mir leicht und die meiste Zeit über hatte ich viel Freude an meiner Ausbildung. 
Doch mittlerweile, mein Examen liegt nun 16 Jahre zurück, frage ich mich in Anbetracht von Schichtdienst und entsprechend wenig Schlaf, einsamen Wochenenden und unzähligen Nachtdiensten: Warum wollte ich denn eigentlich nochmal Kinderkrankenschwester werden? 
Schichtdienst. Schichtdienst ist der Feind eines intakten sozialen Gefüges. Freizeitplanung ist der blanke Horror. Es ist ja nicht so, dass man keine Zeit hätte. Aber man hat gefühlt immer nur dann Zeit, wenn andere arbeiten und umgekehrt. Kontinuität gibt es nicht. Dienstlich kannst du nur maximal 6 Wochen in die Zukunft planen. Aber gut, ich will  mich nicht beschweren, es gibt immer Vor- und Nachteile. Theoretisch mag ich den Schichtdienst. Ich mag, dass nicht jeder Monat wie der davor aussieht, dass ich nicht 9 to 5 arbeiten muss. Aber manchmal nervt es halt, wenn man aufgrund des Schichtdienstes sich im absoluten Schleudergang wiederfindet. Und manchmal wäre es einfach toll, wenn der Tag doch mal 30 anstatt nur 24 Stunden hätte. 
Nachtdienst. Nachtdienst ist zu einer Notwendigkeit geworden. Als Mutter im Schichtdienst nimmst du diese Möglichkeit gerne wahr, denn Nachts schlafen die Kinder (in der Regel) und wenn sie wieder wach werden, bist du wieder zuhause und kannst dich um alles kümmern. Selbst schlafen muss man ja nicht. Man schläft im Rewe an der Kasse, auf der Toilette, im Auto, wenn man vor der Schule auf das Kind wartet. Das ist Powernapping as its best.
Naja, Scherz beiseite. Ganz so extrem ist es nur  in Ausnahmefällen. Aber diese Ausnahmen passieren tatsächlich. Und ich kann euch sagen, das ist nicht schön. Für niemanden.

Bei mir sieht es z.B. so aus: es ist Montag und abends werde ich zum Nachtdienst gehen. Also erledige ich tagsüber den kompletten Haushalt. Vor allem an einem Montag. Ich muss also putzen, saugen, das Katzenklo austauschen, Wäsche waschen, aufhängen, evtl abhängen, diese falten und wegräumen. Dann muss ich einkaufen fahren. Den Wocheneinkauf. Schlimmstenfalls mit Getränken, dann muss ich neben 4-5 Einkaufstaschen auch noch 2-3 Kästen Wasser in den 2. Stock hochschleppen und verstauen. Um ca. 2 kommt die jüngste Tochter aus der Schule. Bis dahin sollte ich am besten alles erledigt haben, damit ich ihr ggf. bei den Hausaufgaben helfen oder generell etwas Zeit mit ihr verbringen kann. 
Manchmal schaffe ich es sogar vormittags Sport zu machen. Etwas für mich tu tun. Wenn ich das nicht schaffe, kann ich mich nachmittags dann entscheiden, wie ich Sport und Familie unter einen Hut bekomme. Irgendwas davon muss immer zurückstecken, selten profitiert beides vom Sport den ich machen möchte. Mittlerweile ist die Jüngste so groß, dass sie problemlos den Nachmittag allein verbringen kann. Gut fühle ich mich dabei allerdings nicht. Ok, um 14 Uhr ist die Kleine also da und wir essen was, besprechen den Tag, die Woche, das Erlebte. Circa 3, halb 4 sind wir damit durch. Ich mache mich fertig und gehe laufen. Um 16 Uhr verlasse ich das Haus und komme kurz nach 5 wieder zurück. Mir fällt ein, dass ich die Wäsche im Keller vergessen habe aufzuhängen, also gehe ich erstmal direkt runter und hole das nach. Dann nach oben. Ich muss duschen, was essen. Evtl Essen für die Arbeit vorbereiten. Die Küche aufräumen. Die Tiere füttern. Es ist halb 7 als ich grob mit allem durch bin. in 1,5 Stunden muss ich schon los zur Arbeit. Ich merke, dass ich etwas müde werde und beschließe mich noch kurz zu entspannen. Ich liege im Bett und meine Gedanken wirbeln so umher. Fliegen von den Verpflichtungen zu den Wünschen. Manchmal schaffe ich es dann tatsächlich für 20 Minuten nochmal einzuschlafen. Erholt bin ich danach nicht, aber es gibt mir dennoch ein besseres Gefühl. Es ist halb 8. Ich ziehe mich an, packe meine Sachen zusammen, koche mir meinen Kaffee, wechsle noch ein paar Worte mit meinen Töchtern und muss schließlich um 20 Uhr wieder das Haus verlassen.
Um 20:30 Uhr beginnt meine Schicht. In der Regel geht sie bis zum nächsten Morgen um halb 7. In der Regel kommt das auch hin. Gehen wir mal davon aus. ich bin dann also um ugf kurz vor 7, wenn ich Glück habe, Zuhause. Ich sehe noch kurz die Kleine, denn sie muss bereits um 7 zur Schule aufbrechen. Ich hingegen suche erstmal den Hund und muss ne Runde mit ihm Gassi gehen. Bis ich dann im Bett liege ist 8 Uhr. Gut ist, dass ich dann auch immer wirklich müde bin und schnell einschlafe. Schlecht ist, dass meinem Körper egal ist, dass er schläft und die Nieren sich fröhlich hyperaktiv zeigen und ich also zwischen 10 und 11  Uhr von einem Blasenhochstand geweckt werde, um dann unter Schmerzen zum Klo zu wanken. Während ich so da sitze und kaum die Augen auf bekomme, schreit mich die Katze von der Seite an. Sie hockt im Waschbecken und verlangt, dass ich ihr den Wasserhahn aufdrehe. Na gut. Dann ist wenigstens wieder Ruhe. Ich Schmeiße die Katze aus dem Waschbecken, wasche mir die Hände und wanke zurück in mein Bett und lege mich dankbar wieder in mein dunkles Zimmer. 
Ich schlafe wieder ein. Zum Glück. Denn es gab Zeiten, da hatte ich echt Probleme nach diesem Toilettengang wieder einzuschlafen. Doch ich schlafe. Bis ca. halb 2. Dann muss ich schon wieder pinkeln. Ich fluche innerlich. Denn ich weiß, dass ich nach diesem Toilettengang in der Regel nicht wieder einschlafe. Ich lege mich dennoch nochmal hin. Aber das Bett ist unbequem geworden. Ich finde keine Position mehr, in der ich wieder in den Schlaf finde. Also greife ich zu meinem Handy, mache das Wlan an und schaue erstmal, ob irgendwas spannendes passiert ist. Ist es nicht. Ich verbringe trotzdem zu viel Zeit im Bett, vor meinem Handy. Um halb 3 bekomme ich Zeitdruck. Ich ermahne mich und zwinge mich aufzustehen. In gut 5 Stunden muss ich schon wieder zur Arbeit. 
Ich begrüße meine Kinder und höre mir an, was sie mir zu erzählen haben. Was es so Neues gibt bei ihnen. Ich trinke Kaffee und bereite meiner Kleinen was zu Essen zu. Ich habe noch keinen Hunger. Bin ja auch erst gerade wach geworden. Um halb 4 werde ich unruhig. Ich würde zwar gerne noch rumsitzen und meiner Tochter lauschen, doch ich muss die Tiere füttern und die Küche aufräumen (schon wieder). Und wenn ich den Haushalt gestern nicht geschafft habe, muss ich das heute nachholen. Aber um halb 5 muss ich los, denn um 5 gibt es im Fitnessstudio diesen Kurs den ich gerne mitmachen möchte. Wenn ich diesen Kurs schaffe, bin ich um kurz nach 6 wieder zuhause. Dann muss ich duschen, was essen und das Essen für die Arbeit vorbereiten. Nochmal hinlegen ist jetzt nicht mehr drin. Auch wenn ich keine 6 Stunden geschlafen habe. Die nächste Nacht wartet schon. Mittwoch Morgen komme ich aus der letzten Nacht und damit es nicht langweilig wird, habe ich übermorgen schon wieder Frühdienst, dann muss ich um halb 5 aufstehen. Und hier finde ich auch schlecht in den Schlaf und schlafe oft zu wenig. Ich entschuldige mich also, wenn ich an vermeintlich freien Tagen, denn so richtig frei hat man als Mutter ja nicht, aber das sehen viele Leute ja nicht, einfach mal bis zum Vormittag im Bett bleibe. Sorry, not sorry! Irgendwie muss man ja für ein Gleichgewicht sorgen. Und gut, wenn man das auch wirklich kann. Denn niemand möchte, dass aus der Krankenschwester eine kranke Schwester wird.