Freitag, 2. November 2018

Aeterna Nihil

Fünfzehn

Wunderschön. Dieses Wort, wunderschön, es geht mir immer und immer wieder durch den Kopf. Die Luft ist mild. Es fühlt sich nach einem Sommer voller Möglichkeiten an. Wir haben Juni und der Sommer steht gerade in den Startlöchern und verspricht fantastisch zu werden. Eine leichte, kaum merkliche Brise berührt die Haut in meinem Gesicht. Die Luft riecht unglaublich. Nach Blättern und Gräsern. Nach Tannen und Blumen. Sie riecht würzig frisch und rein. So rein. Es fühlt sich fast wie Glück an. Ja, ich verspüre diesen kleinen Funken Glück in mir. Wunderschön.

Vierzehn

Es ist still hier oben. Friedlich. Frieden. Die Sonne wärmt meinen Körper und lässt ihn wohlig schaudern. Ich atme tief ein und aus, genieße jeden Atemzug und erlebe jeden ganz bewusst. Die Luft riecht so gut, dass ich bedaure ausatmen zu müssen. Ein. Und aus. Immer wieder. Ganz bewusst. Ich halte meine Augen geschlossen. Ich muss die Welt nicht sehen. Ich möchte sie spüren. Ich möchte sie erleben. Leben.

Dreizehn

Gestern war mein Geburtstag. Im Juni Geburtstag zu haben ist eine gute Sache. Man hat einfach oft das Glück, dass es sehr warm ist und einem somit alles offen steht, wie und wo man seinen Geburtstag feiern möchte.
Wir haben im Garten gefeiert. Meine Mutter hat sich mit der Geburtstagstorte dieses Jahr selbst übertroffen. Eine in Fondant gepackte Köstlichkeit. Danke Mama. Danke für alles. Später haben wir gegrillt, laut Musik gehört und ausgelassen getanzt. Alle waren eingeladen. Alle Freunde, Verwandte und Nachbarn. Je mehr kamen, desto schöner wurde die Party. Wir haben gesungen und getanzt bis wir nicht mehr konnten und unsere Stimmen heiser wurden. Dann haben wir weiter gemacht. Es war der schönste Geburtstag den ich je erlebt habe. Geschenke wollte ich aber keine. Das größte Geschenk war die Freude die ich empfand. Freude und Dankbarkeit. Gestern.

Zwölf

Ich bin auf den höchsten Berg geklettert den es hier bei uns im Umkreis gibt. Letzte Nacht habe ich nicht geschlafen. Keinen Augenblick wollte ich verpassen. Es ist Juni. Die Nacht war sehr mild und freundlich.
Ja, ich habe mich still und heimlich fort geschlichen. Sowas macht man nicht. Aber was hätte ich auch sagen sollen? Die Leute hatten so viel Alkohol getrunken, die haben es nicht bemerkt. Auch ich habe Alkohol getrunken. Obwohl ich erst siebzehn geworden bin, durfte ich dieses leckere Gingerbier trinken, von dem Mama immer so schwärmt. Mama hat mir nur zugezwinkert. Betrinken wollte ich mich aber nicht. Ich wollte Herr meiner Sinne bleiben. Als alle am ausgelassensten waren, schlich ich davon. Ich blickte nicht zurück. Wozu? Danke für alles.

Elf

Es ist schon erstaunlich wie schnell man erwachsen wird. Dabei ist meine Kindheit eigentlich noch gar nicht vorbei. Und doch erscheint sie mir jetzt so weit weg. Hier oben auf diesem Berg, wo die Sonne mich wärmt. Und obwohl die Sonne mich mich in ihrer Wärme wiegt, spüre ich diese Kälte. Eine kriechende Kälte, die immer präsenter wird. Nun kann ich sie auch nicht mehr ignorieren. 
Wo ist meine Unbeschwertheit? Wo sind meine Träume? Hoffnungen? Mit leeren Augen blicke ich in die Ferne. Dort warten sie, still und geheimnisvoll. Und sind nun unerreichbar geworden.

Zehn

Es ist bereits Vormittag. Die Sonne steht schon weit oben am Himmel und brennt auf meinen Körper nieder. Doch jetzt gerade kann sie nicht warm genug sein. Keine Wärme der Welt kann mein Zittern verhindern. Ich sitze hier in der Sonne und zittere. Ich lebe. Ein. Und aus. Der Wind ist etwas kräftiger geworden und nimmt mir die Hitze etwas aus meinem Gesicht. Als ich fünf Jahre alt war, da saß ich einmal sehr lange in der warmen Sommersonne. Ich spielte mit den schönen Steinen, die ich so gerne sammelte. Je mehr sie glitzerten, desto besser. Über bunte Steine, die auch noch glitzerten freute ich mich am meisten. Frieden.
Dann plötzlich endete dieser harmonische Moment von jetzt auf gleich in einem schmerzhaften Chaos, da mein Bruder mir einen Eimer eiskaltes Wassers über den Kopf schüttete.
Erleben. Leben. Danke Bruder.

Neun

Ich habe Billy aus der 12. geküsst. Es war eine spontane Aktion. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Ich habe es einfach getan. Wieso habe ich nicht schon immer Dinge getan, die ich wollte? Wieso erst jetzt? Erleben.
Billy küsste mich zurück und hielt mich für diesen Augenblick fest in seinen Armen. Es war ein glücklicher Moment. Wir tauschten schüchterne Blicke. Sagten aber kein Wort. Wir brauchten keine Worte. Nur diesen Moment. Leben.
Sieh dir das an. Wow. Wie grün die Welt doch ist! War sie das schon immer? So grün und wunderschön? Wunderschöne Welt.

Acht

Zittern. Leichtes Beben. Ich lasse mich auf die Erde fallen und spüre den Schmerz nicht, als ich hart auf meinem Gesäß lande.Irgendwas ist kalt in meinem Gesicht. Meine Finger berühren meine nassen Wangen. Habe ich geweint?


Sieben

Ich hatte bisher noch keine Pläne gemacht, wie es mit mir weiter gehen sollte. Studieren? Oder nach der Schule noch ein wenig wildes Leben? Jetzt sage ich studieren. Jetzt gerade würde ich alles dafür geben, studieren zu dürfen. Egal was. So kann sich alles ändern. Die Schulzeit war klasse. Schade, dass sie nun beendet wird. Neben all dem Lernen, muss man auch mal sehen, wie viel Zeit wir mit Freunden verbringen konnten. Wie viel wir doch lachten. Die Pausen, die wir mit Dingen wie Jungs, Partys, Stress mit den Eltern und anderen ach so wichtigen Pubertätsthemen reichlich ausfüllten. Das waren unsere großen Sorgen des Lebens. Leben.


Sechs


Habt ihr einen Bruder? Ich habe einen. Er ist der Beste. Auch wenn ich das nicht zugegeben habe. Er ist es. Er ließ zwar nie eine Gelegenheit aus mich zu ärgern und brachte mich manchmal wirklich an den Rand der Verzweiflung. Wie das halt so ist mit Geschwistern. Doch in schwierigen Situationen war er immer für mich da. Der Beste! 

Fünf



Die letzten Tage waren die besten meines Lebens. Ist das nicht traurig? Vielleicht ein wenig. Viel trauriger wäre es, sie nicht erlebt zu haben. In den letzten Tagen sind alle ein bisschen näher zusammen gerückt. Wer hätte das gedacht? In den Augen des anderen lasen wir alle das gleiche. Es verband uns. Es war unsere Stärke und schlimmste Schwäche. Wohlwollend und respektvoll. Erleben. Noch nie war ich so voller Liebe gewesen. Ich atmete Liebe aus und wieder ein. Liebe trug mich durch diese Stunden. Liebe zeigte mir all die Schönheit, die ich so oft nicht sehen konnte. Leben. Wunderschön.

Vier

Meine Eltern. Geht es ihnen gut? Ja, ich habe sie verlassen. Aber das spielt keine Rolle mehr. Nichts wird bald eine Rolle spielen. Nichts. 
Eltern können echt nerven. Alle Kinder wissen das. Man liebt sie und hasst sie. Man schämt sich für sie. Man ignoriert sie und straft sie mit Schweigen. Sie sind mit mir die siebzehn Lebensjahre zusammen gegangen. Siebzehn. Ich danke euch. Ich liebe euch. Ich weiß, dass ihr das wisst. Ich bin bei euch. Ihr seid bei mir. Noch nie waren wir uns so nah. Ihr ward meine Welt.

Drei

Jetzt muss ich wieder weinen. Die Sonne wird bald nicht mehr zu sehen sein. "Aeterna nihil". So nannten sie dich. So viel Zeit hatten sie noch, dem Unausweichlichen einen Namen zu geben. Doch niemand wird sich je an deinen Namen erinnern können. du wirst alle Erinnerungen mitnehmen. Aber die Dinge müssen immer einen Namen haben, oder? Aber du hättest keinen gebraucht. "Aeterna nihil" ist sehr treffend muss ich gestehen. Dass du einen Namen hast, ändert gar nichts. Nichts. Du bist was du bist und tust, unweigerlich, was du tun wirst. Ein letztes Aufbegehren. Ein letztes aufbäumen meines Körpers, meines Verstandes. Mein Geist, der nicht verlassen will, der nicht akzeptieren will. Ich stelle mich dir trotzig entgegen. Heuchle Mut. Als würde ich mich einem Kampf stellen. Ein Kampf, welcher noch ungerechter ist, als der von David gegen Goliath. Heute, jetzt, muss nur noch ein Kampf gewonnen werden. Der Kampf mit sich selbst, der Kampf Unausweichliches zu akzeptieren.

Zwei

Die Sonne ist verschwunden. Es ist dunkel und plötzlich eiskalt. Der Sommer ist verschwunden. Nie wieder Juni oder Billy aus der 12. küssen. Oder Atmen. Oder leben. Es ist ruhig und auch wieder nicht. Sie weinen, sie schreien. Sie sterben. Sie sterben mit mir. Alles stirbt. Der Berg unter mir zittert nun mehr als ich. Mein Zittern spüre ich nicht mehr. Ich fühle mich fast körperlos. In meinem Kopf schreit es. Ich schreie. Und jeder Gedanke intensiv und glasklar. Zum greifen nah. Gleich. Endlichkeit. Jetzt ist der Moment, Scotty. Please beam me up.

Eins

Ich schreie es laut hinaus. Ich schreie es dir ein letztes Mal entgegen. Wieso? Ein letztes Mal. Wieso jetzt? Wieso so endgültig? Ich schreie es mit aller Kraft, bis mir die Kehle schmerzt, bis ich meine Stimme verliere. Bis ich nur noch schwer atmend deine Gewalt empfangen kann. Ich lebte, ich liebte, ich hoffte... Wieso nimmst du alles Leben? Wieso nimmst du meines? Wieso zerstörst du aller Hoffnung? Alles Leben? Wo bist du hergekommen? Wieso wusste ich nichts von dir?
Ich bin wütend. Ich bin unendlich wütend auf dich. Weil du so erbarmungslos in deiner Endgültigkeit bist. Was bedeuten jetzt noch die Tränen auf meinen Wangen? So viel Liebe. So viel Leben. Und dann? Nichts....

Aeterna nihil (Nichts ist ewig)



...

Montag, 17. September 2018

Der Neue und Isa rocken Berlin

Der 45. Berlin Marathon. Anfang des Jahres hätte ich nie gedacht, dass ich dort durch das Brandenburger Tor laufen werde. Anfang des Jahres lag der Fokus noch beim Marathon in Rotterdam guckst du hier dort habe ich meinen ersten Marathon gefinished in 4:33:58. Für den ersten völlig in Ordnung. Da ich aber dachte, ich sei eigentlich ein ganz passabler Läufer, der vielleicht 4:15 oder sogar mehr kann, war ich natürlich ein klein wenig auch enttäuscht. Es war aber dennoch ein ganz wunderbares Erlebnis und ich denke sehr gerne an dieses Wochenende zurück. Denn ich habe es mit vielen tollen Menschen verbracht (#deinerstermarathon2018 war und ist ne tolle Truppe) selbst ein halbes Jahr später stehen wir noch in Kontakt und verfolgen unsere sportlichen Leistungen und motivieren uns. Fühlt euch dafür mal ordentlich gedrückt :-*
Vor gut 2 Monaten ergab sich nun plötzlich, dass mir der Hieb des Schicksals einen Startplatz vor den Bug knallte. Bäm. Marathon Nummero Zwo sollte also doch tatsächlich der in Berlin sein. Geil. Mir war ja klar, dass ich die 4:33 nicht auf mir sitzen lassen konnte. Ich wollte mir beweisen, dass es auch besser geht.
Allerdings war ich was lange Läufe angeht etwas raus. Seit Rotterdam hatte ich 1 oder vielleicht auch 2 knappe 30er gemacht und davon einer, wo ich ab KM 22 schon heulen wollte, so kacke war der Lauf. Egal. Nach vorn schauen, neu fokussieren. In Anbetracht dieser neuen Herausforderung musste ich mir jetzt einmal ordentlich in den Hintern treten und definitiv mehr an meine Mimimi-Grenze gehen. Allein hätte ich das wohl nicht so gut geschafft, deswegen habe ich mich irgendwann einfach so oft es ging mit schnellen und stärkeren Läufern zum laufen verabredet und bin da auch sehr oft an meine Grenzen gegangen. Ich muss hier einmal den Gregor erwähnen, er weiß es wahrscheinlich nicht, aber dadurch das er mich irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, zu nem 20er in einer 5:30 Pace motiviert hat und ich diesen tatsächlich durchgehalten habe, ist irgendwie der Knoten bei mir geplatzt. Seit diesem Lauf schien es immer besser und leichter zu werden. Auch den HM mit Oli in einer Pace von 5:10 kann ich nicht vergessen oder der Crewrun, wo mich Carsten auf 10k unter 50 Minuten gezogen hat, um ein paar Beispiele zu nennen. All diese Läufe werden dazu beigetragen haben, dass es in Berlin für mich gut lief.
Manche fragten was ich anders gemacht habe bei diesem Marathon. Das ich ohne Plan trainiere wissen die meisten ja. Dennoch habe ich eigentlich immer einen roten Faden und ein gutes Bauch- /Körpergefühl. Unerfahrenen Läufern würde ich das nicht empfehlen, man muss sich schon ein bisschen kennen und ein paar Erfahrungen im Sack haben. Ich laufe also nicht völlig planlos. Ich weiß was wichtig ist in der Vorbereitung (Intervalle, lange Läufe, TDL, Kraft/Stabi...) In den zwei Monaten bis Berlin habe ich also trainiert wie bekloppt. Ich muss gerade lachen, denn für bekloppt hielten mich einige Leute dann tatsächlich. Neben der ganzen Rennerei bin ich auch noch Rennrad gefahren und auch regelmäßig geschwommen. Stabi und Kraft hab ich oft gar nicht mehr erwähnt. Durch dieses ganze Training habe ich natürlich auch nochmal etwas abgenommen, ganze 5 kg. Ich fand's gut. Weniger Gewicht was ich auf 42 rumschleppen muss. Es lief einfach immer gut. Egal welcher Lauf, es lief so geil wie nie zuvor. Eine Bestzeit jagte die nächste. Unfassbar. Was passierte da nur gerade? Ich konnte und kann manchmal nicht glauben, was sich alles in 2 Monaten so getan hat. Einmal fokussiert und durchgezogen. Geil. Werde ich weiter so praktizieren. ;-) Lohnt sich ja!
Lange Läufe? Lange Läufe hatte ich genau zwei. Einmal 34 km Anfang August und einmal 35 km Ende August. Mehr habe ich zeitlich nicht hinbekommen. Man soll ja eigentlich mehr lange Läufe gemacht haben und deswegen war ich oft unsicher, ob mir das nicht vielleicht auf den letzten Kilometern schaden wird, aber da beide Läufe echt gut liefen und ich keinerlei Probleme nach diesen hatte, versuchte ich die Zweifel beiseite zu schieben. Ich konnte ja jetzt eh nichts mehr daran ändern.

Zum Lauf an sich: Ich weiß vor einem Lauf eigentlich nie wie es wird, ob ich gerade gut drauf bin oder nicht. Sowas merke ich auf den ersten 1-2 Kilometern und dementsprechend trainiere ich dann auch. In Rotterdam habe ich mir ein Frühstück gegönnt, In Berlin bin ich nüchtern an den Start gegangen. Zwei Kaffee zum wach werden habe ich aber getrunken. In Rotterdam trug ich eher viel Schuh am Fuß, in Berlin einen Ballerschuh. In Rotterdam habe ich jede Wasserstation mitgenommen, alle 5km und viel, viel Zucker gegessen, so dass mir der Zucker irgendwann aus den Ohren kam. In Berlin aß ich während des Laufs genau einen Obstriegel und einen kleinen Marshmallow und bis km 20 habe ich nicht einen Schluck trinken müssen. Insgesamt habe ich vier mal für einen Becher Wasser angehalten, mehr brauchte ich nicht. Mein Körper hatte in den letzten Tagen vorm Marathon seine Speicher aufgefüllt. Ich sage nur "Fresskalation lvl Aaaaaalter, was geht bei dir?".
Eine Pace von 5:40 oder vielleicht auch 5:35 wollte ich in Berlin in Angriff nehmen. Alle sagten, dass das gut funktionieren sollte. Ich hatte dennoch Schiss davor. Denn ne 5:35 fiel mir ja vor ein paar Wochen noch auf der HM-Distanz schwer.
Startschuss. Es geht los. Endlich über die Matte gelaufen, lief ich den Marathon in ugf. 5:30 an. Oh, etwas zu schnell kam es mir in den Kopf und ich schimpfte innerlich mit mir. KM 3 dann 5:15. Und die nächsten wollten auch nicht langsamer werden. Aaaaahhhh, schrie es in meinem Kopf und ich erinnerte mich an Deans Worte "Auf den ersten 30 Kilometern sollte der Lauf langweilig sein". Und ich horchte dann ständig in mich hinein und fragte mich: Ist mir langweilig? Natürlich ist mir nicht langweilig, hier steppt der Bär, wie soll mir da langweilig sein :D
Ich lief also in diesem Rhythmus weiter, denn er fühlte sich einfach richtig an. Ich nahm mir Falkos Rat zu Herzen und setzte mir in diesem Lauf kleine Ziele. Ich dachte also nicht "Puuhh, noch 30 Kilometer" sondern "Wow, gleich schon bei 10 Kilometer". Ich bin quasi immer 10 Kilometer gelaufen und habe mich in jedem Zehner auf die Cheeringtruppe gefreut. Außerdem habe ich mir all die Leute angeschaut, die mit mir gelaufen sind, welche Botschaften sie auf ihren Shirts trugen, wie sie sich bewegten, was sie bewegte. Die Menschen am Straßenrand wurden abgeklatscht, bei den Kameras gewunken (vielleicht komm ich ja ins Fernsehen :D) und so vergingen die Kilometer wie im Flug. Manchmal dachte ich an den Mann mit dem Hammer und dann habe ich gemerkt, dass wenn ich dahin gedanklich abdrifte auch die Beine etwas schwerer sind, also habe ich das ganz schnell sein gelassen und mich auf die schönen Dinge konzentriert. Berlin war einfach ein unglaubliches Fest. So viel Freude und Liebe überall. Es war so schön zu sehen, wie Freunde, Familie, Unbekannte vom Straßenrand her die Läufer feierten. Unglaublich toll.
Kam der Hammertyp? Ja doch er kam. Ab KM 36 spürte ich wie die Beine etwas dicht machten und die Schritte schwerer wurden und hier hat mir geholfen, dass man dem Typen mit dem Hammer auch weglaufen kann und der Körper auch wieder funktionieren wird, wenn er merkt, dass er muss. Danke Falko ;-)
Kilometer 41 war der schwerste für mich. Pace 5:38. Aber der letzte Kilometer war Freude pur und wurde ausgiebig genossen. Jetzt konnte nichts mehr passieren. Sub 4 hatte ich in der Tasche. Hammergeiler Wahnsinn. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kann ich gar nicht glauben, dass ich das war, die da gestern nach 42,195 km mit einer Zeit von 3:47:37 durch das Brandenburger Tor lief. Damit habe ich meine letzte Marathonzeit um ne gute Dreiviertelstunde verbessert. Wahnsinns Gefühl.
Hier an dieser Stelle nochmal ein mega fettes DANKE an all die Menschen die mich begleitet und unterstützt haben. Fühlt euch gedrückt <3











Mittwoch, 12. September 2018

Durch die Nacht

Es hatte geregnet. Die Luft war noch schwer von der Feuchtigkeit des Regens und trug diesen würzigen Geruch der Wiesen und Steine mit sich. Der Asphalt erstreckte sich nun, dank des Regens, tiefschwarz unter meinen Füßen. Hier und da befanden sich kleine Pfützen, die das schwache Mondlicht wiederspiegelten. Sie ruhten still und mit geheimnisvoller Tiefe auf der Erde.
Allmählich wurde die Wolkendecke lichter und vereinzelt konnte ich sogar schon die Sterne sehen. Die Luft war zwar etwas kalt, aber ich fror nicht. Die frische Nachtluft legte sich angenehm auf mein Gesicht und kühlte meine Wangen, die die ganze Wärme meiner Erregung in sich trugen. Langsam lief ich durch die Nacht und sie hüllte mich in ihre glanzvolle Dunkelheit, welche die ganzen Wunder dieser Welt in sich verbarg. In dieser ruhigen Dunkelheit lauschte ich meinen Schritten, diesem Tappen meiner Schuhsohlen, dem Kratzen meiner Sohlen über nassem Stein. Ein kleines akustisches Beben in dieser stillen Nacht. Alles lag ganz sanft um mich herum da. Doch meine Gedanken schrien in die Stille hinein und durchbrachen die Harmonie dieser Nacht.
Mein Herz weinte über das Leben. Nicht über meines. Über das Leben an sich, seine ganze Schönheit, seine Perfektion. Und all den Grausamkeiten in ihm. Und dann schlug mir die kalte Endlichkeit ihre Faust ins Gesicht, packte sich meine Eingeweide und zerrte brutal immer wieder an ihnen.
Doch im Angesicht von Endlichkeit schmeckt vieles süßer. Und ja, der Geschmack kann sich komplett ändern und der Appetit groß und unermesslich werden. Bis er derart Besitz von dir ergreift, dass es weh tut und du hilflos vor lauter Schmerz zusammen brichst und nur noch weinen möchtest.
Aber ich laufe bedacht, friedlich und für mich allein durch die Nacht. Ganz langsam durch die leeren Straßen. Ohne ein bestimmtes Ziel. Der nächste Schritt ist mein Ziel. So lange bis sich mir ein anderes Ziel offenbart. Bis dahin lasse ich mich in die sinnliche Hand dieser Nacht fallen und bin etwas neugierig, wohin sie mich tragen wird.
Und wie ich so dahin schreite, denke ich an dich. Und wie könnte ich auch nicht an dich denken? Hier in der Dunkelheit, wo alles möglich scheint. Die Dunkelheit, mein stiller Freund, welcher mich sanft umarmt und mir ins Ohr flüstert, dass ich mich nicht fürchten darf. Das ich dir mutig entgegen treten muss. Das ich dich halten muss, egal wie sehr du mir auch weh tun solltest. Und dann ja, tatsächlich, stellt sich in mir dieses Gefühl der Vorfreude ein, weil ich glaube, dass ich so mutig sein kann, und dann will ich es hinaus schreien. Dann bin ich voller Liebe zu dir. Und wie könnte ich dich nicht lieben? Da sind tausend Dinge die ich dir sagen, die ich dir zeigen möchte, aber deine Anwesenheit macht mich oft stumm und starr. Es ist als würde ich alles vergessen. Diese Liebe zu dir einfach vergessen.
Wie oft habe ich versucht mein Herz zu öffnen. Mich dir zu öffnen, mich demütig in deine Hände zu legen, damit ich nicht die Richtung bestimmen muss. Doch es war falsch. Nicht die Tatsache, mich dir hinzugeben, nein, sondern die Tatsache, die Richtung nicht wesentlich selbst bestimmt zu haben.
Doch dann ist da diese Angst. Diese Angst zu fallen. Diese Angst enttäuscht zu werden. Ich senke den Blick und schäme mich, weil ich weiß, dass ich es könnte, es aber nicht wage. Und dann wird es mir so klar hier in der dunklen und stillen Nacht. Frieden stellt sich ein. Ruhe breitet sich in mir aus und ich blicke voller Vorfreude geradeaus.







Mittwoch, 22. August 2018

Tagebuch einer Mutter - Fernab der Langeweile

Wenn man Mutter ist, das weiß jede Mutter, dann bleibt wenig Zeit für Langeweile. In der Regel sind die Tage gefüllt von fürsorgenden Pflichten gegenüber dem Kind/der Kinder, dem Haushalt und manchmal auch dem Ehemann/Lebensabschnittsgefährte. Da würde sich so manche Mutter gelegentlich etwas Langeweile wünschen. Meistens bleibt ihnen das aber erspart, zum Beispiel bis die Kinder den elterlichen Bau verlassen haben, man endlich im Lotto gewonnen und jemand anderes den Haushalt erledigt oder der Göttergatte tatsächlich auch mal selbst mit anpackt. Ich möchte also damit sagen, dass, wenn man Kinder hat, man viel für andere tut und wenig für sich. Und das natürlich gerne. Meistens jedenfalls.

In letzter Zeit erreichte mich immer öfter die Frage: "Wie bekommt man als Frau (oder auch Mann, gibt ja auch alleinerziehende Männer) seine Bedürfnisse und die der anderen unter einen Hut?"
So mag ich gerne mal über meinen Alltag als Mutter berichten, der mittlerweile jenseits von allem was Langeweile auch nur ähnelt weit entfernt ist. Es gibt Mütter, die sind Mütter. Zuhause, mit den Kindern/dem Kind, dem Haushalt, den Haustieren, dem schlechten TV-Programm am Vormittag. Dazu fällt mir ein, Fernsehen ist auch nicht mehr das was es mal war. Ich habe neulich am Vormittag den Fehler gemacht und den Fernseher eingeschaltet. Warum eigentlich? Hatte ich etwa Langeweile??? Naja, jedenfalls, es war die Verkehrsunfallerfahrung, es war furchtbar und weil es so furchtbar und unfassbar war, kann man irgendwie fast gar nicht mehr wegschauen. Zum Glück bin ich gut erzogen und weiß, dass man nicht glotzt.
Dann soll es ja Mütter geben, die ihre Kinder aus ihrer Vagina direkt in die KiTa pressen, weil die Karriere nicht zu kurz kommen darf. Und dann gibt es Mütter wie mich, die irgendwie versuchen einen Mittelweg zu finden. Freude und Spaß für die Lieben, Freude und Spaß für mich. Manchmal haben wir das sogar zusammen. 
Mittelweg klingt ja ganz cool, aber in der Umsetzung zum Teil ne kleine Katastrophe, endet es nämlich damit, das man sich irgendwie selbst verarscht. Man versucht es jedem, auch sich selbst, irgendwie recht zu machen und muss dann manchmal entnervt feststellen, dass man ganz schön bescheuert ist. Dann lache ich kurz, sortiere die Schmutzwäsche und bin in Gedanken schon wieder drei Aktionen weiter. Denn in Wahrheit möchte ich es nicht anders. Ein Leben auf der Couch macht für mich keinen Sinn. Ziel des Tages ist nicht Abends wieder das Bett erreicht zu haben, sondern auf dem Weg dorthin gelebt zu haben. Und das heißt nicht wie ein Roboter zu funktionieren, den Alltag abzuspulen. Hand auf's Herz, natürlich habe ich auch Tage an denen ich eher als ein unterversorgter Roboter durch den Alltag trotte, als eine hüpfende, mit Glitzer um sich werfende Fee. Doch die meisten Tage freue ich mich über die Dinge die ich tun kann. Ich versuche glücklich mit den Dingen zu sein, die ich habe. *augenroll* wie das wieder klingt. Aber it's that simple. Wir verbingen so viel Zeit damit uns zu bedauern, weil wir kein Haus mit Mitte zwanzig oder gar mit Mitte 30 *ziehtdramatischdieLuftein* unser eigen nennen können, weil wir nicht drölfzigmal überbewerteten Standardurlaub machen konnten, weil die ganzen Frauen im Fernsehen, in den Illustrierten, ja sogar die Tussi aus dem Fitnesskurs, eine bessere Figur hat als man selbst. Oh bitte....stop it. Zum einen, es wird immer jemanden geben der größer, schöner, stärker ist als du. Und nun? Und zum anderen, wenn du es anders willst, verdammt nochmal hör auf zu weinen wie ein Mädchen, kneif die Arschbacken zusammen und gehe es an. Und bitte, alles was du sagst, um den Anfang hinauszuzögern, das sind alles Ausreden. Du fühlst dich gerade unangenehm berührt? Dann weißt du ganz genau was ich meine. Aber Schluss mit Moralapostel. Ich bin auch oft *mimimi* und ein Mädchen. Auch ich muss mir in den verdammten Hintern treten und manchmal möchte ich mich einfach auf diesen fallen lassen und weinen wie ein Mädchen, dem sein wunderbares Eis runtergefallen ist. Doch sei kein Mädchen, denn das Mädchen sieht nicht die Möglichkeiten das es hat. Es sieht nur den Ist-Zustand. Steh auf, sei kein Mädchen, sieh deine Möglichkeiten. (Oh, der war gut, den werde ich mir merken)
Es gibt aber auch Momente, da möchte ich tatsächlich gerne einmal aus allem ausbrechen, mich ins Auto setzen und weit, weit weg fahren, weil ich das Gefühl habe, ich schaffe das alles nicht. Dann muss ich mich daran erinnern, dass ich nicht alles schaffen muss. Ich muss nicht perfekt sein. Es muss nicht immer frisch gekocht, gesaugt, gebügelt oder jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen werden, oder dann wird der 10-Kilometer-Lauf halt morgen gemacht. Manchmal geht's halt nicht. Fakt ist, man schafft viel mehr als man denkt. Man muss nur einfach mal anfangen. Einen groben Plan machen, Alternativen bedenken.
Ich versuche ja auch den Spagat zwischen Hausfrau/Mutter/Arbeit und Triathlon zu bewältigen. Wird manchmal ne ganz schön schmerzhafte Grätsche, aber meistens funktioniert das ganz gut.
Sofern man kein stillendes Baby hat, und selbst mit diesem ist man zu mehr fähig, als man vielleicht denkt, dann hat man eigentlich immer mal wieder Zeit die man für sich nehmen kann. Aufräumen, putzen, kochen, etc. das kann man auch mit den Kindern zusammen. Man sollte diese freien Minuten eher für sich nutzen, anstatt in Ruhe zu bügeln *yeah*
Letztendlich muss aber jeder für sich einen Weg finden mit dem er glücklich ist/wird. Und sei dir sicher, es gibt einen Weg für dich.








Freitag, 13. April 2018

Ein Marathon der den Frühling brachte

Heute ist Freitag. Freitag der 13. wohlgemerkt. Für manche ein unheilschwangerer Tag. Für mich ein Freitag an dem ich endlich Zeit finde die Dinge die ich in Rotterdam auf der kleinen Reise zu meinem ersten Marathon erlebt habe aufzuschreiben. Vielleicht ist es auch gut dieses Erlebnis mit eine paar Tagen Abstand zu reflektieren. Die Euphorie ist abgeebbt und ich kann einen Blick auf dieses Erlebnis wiedergeben, welcher nicht endorphingetränkt ist.

Wir haben uns ja gute sieben Monate auf den Marathon in Rotterdam vorbereitet, begleitet von Bunert, bestens eingekleidet von New Balance und desweiteren unterstützt von laufen.de. Vielen lieben Dank!!!!
Ich möchte jetzt aber gar nicht so weit ausholen. Die Zeit bis zum Marathon war toll und lehrreich. Ich konnte mich an neue Grenzen heranwagen, bzw. musste ich das ja. Und manchmal musste ich einfach Fünfe gerade sein lassen und auf mein Bauchgefühl vertrauen. 
A propos Bauchgefühl. Ich bin Bunert und seiner Ausdauerschule für die Begleitung zum Marathon so unglaublich dankbar, auch wenn ich irgendwann, anfangs, weil ich verletzt war, später weil ich es terminlich nicht mehr hin bekam, den Trainingsplan komplett ignoriert habe. Es gibt Menschen denen hilft so ein Trainingsplan ungemein, weil er einen roten Faden und Sicherheit vermittelt. Für mich als Bauchläufer war es bald nur noch stressig. Ich meine, ich bin ja auch kein Profisportler und tue dies ausschließlich zur eigenen Belustigung und deswegen befand ich, ich habe mehr Spaß, wenn ich spontan bleiben kann. Davon ab, so ganz ohne Orientierungshilfe geht es auch nicht. Ich wusste z.B. das lange Läufe wichtig sind (30 - 35k oder 3 - 4 Stunden). Davon sollte man schon ein paar, vier bis fünf, gemacht haben. Schnellere Einheiten sind wichtig, Stabilisation der Körpermitte ist wichtig. Entspannung ist wichtig. Wenn ich jetzt in mich hineinhorche sagt mir mein Körper in der Regel, welches Training ich absolvieren kann, manchmal sagt es auch der Terminkalender, gut ist, wenn beide sich einig sind. Ist natürlich nicht immer so, aber ich habe das irgendwie hinbekommen. Kurz bevor es ernst wurde kamen natürlich auch Zweifel. Habe ich genug trainiert? War es ok nicht nach Plan zu trainieren? Vielleicht rächt es sich auf den hinteren Kilometern? Aber Zweifel hätte man bestimmt auch mit Trainingsplan gehabt. 

Wie war er denn nun, mein erster Marathon?

Die Kurzfassung: schrecklich, schön! Aber ich kann auch vorne beginnen und etwas weiter ausholen...Moment...*räusper*... Wir, Anja und ich, sind einen Tag vorher in Rotterdam angereist und haben unser Zimmer bezogen. Dann haben wir uns mit den anderen Teilnehmern zur Lagebesprechung getroffen und sind dann gemeinsam los um unsere Startnummern abzuholen.




Danach mussten Anja und ich noch schnell das Auto umparken, denn wir wollten keine 30€ pro Tag an Parkgebühren zahlen (Wucher). Mit unseren Fahrrädern fuhren wir wie der Blitz und als einzige mit Fahrradhelmen zurück zum Hotel, wo wir uns mit ein paar Leuten noch zum Laufen verabredet hatten. Etwas die Beine zu lockern kann ja nicht schaden. Immerhin war ich das letzte Mal am Dienstag unterwegs gewesen und dieser Lauf war so mies, dass ich echt an einer Teilnahme zweifelte. Auch die Tage danach hatte ich Probleme mit meiner rechten Wade/Achillessehne und zu allem Überfluss quälten mich noch Halsschmerzen, die erst am Freitag gänzlich verschwunden waren. 




Abends gab es dann die übliche Pastaparty und wir, naja ich zumindest, schlug mir ordentlich den Bauch voll. Danach brauchten wir unbedingt noch einen Verdauungsspaziergang. So sind wir noch ein bisschen durch Rotterdam geschlendert und haben ein Bierchen getrunken. Abends im Bett war ich allerdings noch echt aufgekratzt und konnte kaum schlafen. in der Nacht habe ich mich ständig hin und her gewälzt und hatte am Morgen das Gefühl, dass ich gar nicht wirklich geschlafen hätte. Naja, schlafen kann ich ja immer noch nach dem Marathon, dachte ich mir und kramte mir meine Sachen zurecht, die ich nachher für den Lauf brauchen würde und da ich erst um halb Elf starten würde, ging ich noch ausgiebig frühstücken. Ich trank sogar ganz mutig zwei Kaffee. Auf die Gefahr hin, dass ich auf der Strecke ständig pinkeln müsste. Anja verzichtete auf's Frühstück und machte sich bald los, um ihren 10er zu laufen. Jetzt war ich noch ne Stunde allein im Zimmer. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um die Strecke. Was wird mich erwarten? Werde ich durchhalten? Was ist mit meinem Bein? Wird das halten? Wir mein Herz das mitmachen? Was ist, wenn ich doch umkippe? Habe ich alles, was ich brauche für diese Distanz? Dann war ich ungefähr noch fünf mal zur Toilette (Angstpipi). Eigentlich muss man nicht, aber der Körper möchte sich gerne vor Angst in die Hose machen 😂
Ok, kurz vor Zehn. Es war Zeit sich mit den anderen zu treffen die mit mir in meiner Wave mit an den Start gingen. Jetzt wurde es ernst. Zusammen gingen wir in den Startbereich. Es waren so viele Menschen unterwegs. Es war der Wahnsinn. Laute Musik. Feiern. Jubeln. Anspannung. Urinierende Frauen hinter Mülltonnen, denn die Schlangen vor den Dixiklos waren ungefähr genauso lang, wie die zum Start. Jemand der "You'll never walk alone" singt und ja, man kann sagen, jetzt werde ich etwas rührselig, am liebsten möchte ich jemanden in den Arm nehmen, doch stattdessen seufze ich innerlich und fokussiere die bevorstehenden Stunden. S-t-u-n-d-e-n! Ich werde also mindestens die nächsten vier Stunden laufend verbringen. Vier Stunden laufen!! Also früher wäre ich lachend vom Stuhl gerutscht und mir wäre die Kippe dabei aus der Hand gefallen. Doch nun stehe ich im Startbereich, auf dem Weg zu meinem ersten Marathonfinish. Ich, Isabel, mit einer zwanzigjährigen Raucherkarriere. Nicht schlecht, denke ich. Und freue mich es zumindest bis hierhin geschafft zu haben.



Es ist soweit, ich überquere die Startlinie, ich mache mich auf den Weg 42,195 Kilometer zu laufen, sowie 15000 andere Läufer heute auch. Es fühlt sich alles noch so gut an, doch ich weiß, dass das nichts heißt. Also erstmal die ersten 10 Kilometer schaffen, danach kann ich wahrscheinlich etwas meine heutige Verfassung einschätzen. Ich versuche bewusst langsam zu laufen, also für mich eine Pace zwischen 6 und 6:30. 




So laufen die ersten Zehn auch ganz gut, so dass ich auf den nächsten zehn etwas mutiger werde und auch mal Kilometer in einer 5.40er Pace zurücklege. Doch als ich ungefähr die Hälfte der Strecke zurückgelegt habe, habe ich einen Einbruch. Ich muss wieder langsamer laufen. Meine Beine werden schwerer und mein Kopf macht sich gerade zu viele Gedanken. Bei Kilometer 28 erblicke ich ein paar bekannte Gesichter die mich herzlich vom Straßenrand her anfeuern und ein paar Meter weiter erkenne ich sogar unseren Fotografen, den Christian, obwohl er sich mit einer weißen Cappy getarnt hat. 



Immer wieder grübelnd und etwas zweifelnd schaffe ich die nächsten zehn Kilometer. Dann ab Kilometer 31,5, ich betrete bisher ungelaufenes Terrain und weiß, dass es wohl die härtesten zehn Kilometer werden, die ich jemals gelaufen bin. Und so war es auch. Hier begann es richtig hart zu werden. Bis Kilometer 35 kam ich noch einigermaßen durch, doch danach musste ich immer wieder mal gehen. Aber ich sah es locker. Ich fand, dass ich eigentlich ganz gut in der Zeit lag. Also immer mal verschnaufen und dann einfach weiter traben. Ich habe bisher auch ganz brav alle Versorgungen mitgenommen. Bis Kilometer zehn habe ich nur Wasser, bei 15 habe ich Dextrotäfelchen gegessen, bei 20 mal ein Gel, bei 25 nochmal Täfelchen, bei 30 so ein Zuckerwasser namens "AA". Ich musste anfangs etwas lachen, als die Menschen am Rand laut "AA" schrien. Bei Kilometer 30 nahm ich dankbar "AA" entgegen. Ich hab das zum Glück auch gut vertragen. Hier begann mein Körper auf die Anstrengung mit Gänsehaut zu reagieren. Ich wusste, dass das kacke ist, aber was sollte ich tun, außer noch mehr Zucker zu essen!?  Bei Kilometer 35 gab es dann "AA-Gel" (hihi)... brrr, es bekam mir zwar, aber die Konsistenz war echt nicht schön, ich hätte das beinahe nicht runterbekommen. Das war so super dickflüssig gewesen.



 So und nun wurde es richtig lustig...nicht. Zum Glück gab es diese vielen, unglaublich tollen Menschen am Straßenrand. Alle jubeln dir zu, reichen Getränke und kleine Snacks, feuern dich an, rufen deinen Namen, spielen Musik, klatschen, pfeifen. Immer wieder wenn ich gehen musste, waren da Menschen die mir wohlwollend zuriefen, dass ich es gut mache und schaffen werde, einmal fing eine Gruppe so an zu jubeln, als ich wieder los lief, als wäre es das größte überhaupt. Das hat so unglaublich motiviert und einen gestärkt, obwohl man schon eigentlich sein Limit erreicht hat. Es war zwar sauanstrengend, doch die Menschen zauberten immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht.



Als ich endlich bei Kilometer 40 angekommen war konnte ich einfach keinen Zucker mehr sehen. Ich wollte nie wieder Zucker essen müssen und so nahm ich nur noch einmal Wasser zu mir und konzentrierte mich auf die letzten zwei Kilometer. Wahnsinn. Nur noch zwei. ZWEI! Ich war dem Ziel so nah. Ich spürte meinen müden Körper, meine Beine, meine Muskulatur, die einfach gerne mal nichts gemacht hätte. Stopp reicht! Doch es sind nur noch zwei. Los, nochmal zusammen reißen, alle Kraft mobilisieren und endlich die Ziellinie passieren. Das wird toll, wenn du gleich nicht mehr laufen musst. Freude kam auf, aber diese konnte ich leider nicht mehr auf meine Gesichtsmuskeln transportieren. Jetzt wollte ich nur noch den Marathon beenden. Das Ende war in Sicht. Endlich!







Und dann war es geschafft. Ich finishte meinen ersten Marathon. Als ich die ersten Meter hinter der Ziellinie ging hatte ich etwas Mühe tief durchzuatmen. Meine Bronchien waren etwas dicht, das lenkte mich etwas von meinen schmerzenden Waden ab :D Dann nahm ich dankbar diese wunderbare goldene Medaille entgegen und etwas später reichte man mir noch eine Rose. Jetzt wollte ich nur noch ins Hotel duschen und frische Klamotten anziehen und vor allem irgendwas ohne Zucker essen.

Fazit: Es war echt anstrengend, es tat weh, es war lang, aber ich werde es wieder tun. Ich glaube, lange Läufe sind echt mein Ding!

Und wie war es danach?

Ich erinnere mich an den Montag danach. Einen Tag nach dem Marathon. Ich war wieder Zuhause. Es ist Abends. So gegen Acht. Es ist in ungefähr die Zeit, zu welcher ich gerne mit meinem kleinen Hund noch eine Runde um den Häuserblock gehe. Als ich also, noch völlig glückbeladen und selig, mit meinem Hund spazieren gehe, stelle ich fest, dass seit diesem Wochenende der Frühling endlich eingekehrt ist. Ich sehe überall Knospen an den Bäumen und Sträuchern. Ich fühle die Wärme der Sonne und kann sogar noch die Wärme die der Asphalt vom Tage gespeichert hat riechen. Ein wohliger Schauer durchfährt mich. Ein kleiner Glücksmoment. Die Erkenntnis den Marathon geschafft und damit gleichzeitig den Winter verabschiedet zu haben. Die Schmerzen sind fast vergessen. Natürlich erinnert mich mein Muskelkater noch daran was am Tag zuvor geschehen ist, doch ich fühle mich leicht und zufrieden. Meine Seele ist beflügelt. In Gedanken plane ich schon den nächsten Marathon. 


Ich möchte noch sagen...

...Danke! Danke an die tolle Truppe von #deinerstermarathon. Es war wunderbar mit euch an den Start zu gehen, zu erleben, wie ihr euren ersten Marathon meistert. Danke an diejenigen die nicht starten konnten, dass ihr uns dennoch angefeuert und unterstützt habt. 
Lieben Dank an Anja, die mein ganz persönlicher TT (Taschentrottel) an diesem Tag war. Sie trug zwar keine Tasche von mir, aber sie verfolgte mich auf der Strecke und feuerte mich an diversen Stellen immer wieder an. Und nahm mich nach dem Lauf in Empfang und war einfach da für mich ... Ich drück dich dafür!!!
Danke an NewBalance für die tolle Ausstattung. Danke an Bunert, die uns läuferisch so wunderbar unterstützt und begleitet haben. Und ein riesen Dankeschön an Christian, der uns in dieser Zeit fotografisch begleitet hat und so viele tolle Erinnerungen geschaffen hat.
Danke, für diese aufregende, anstrengende und wundervolle Zeit!!!

Montag, 8. Januar 2018

Wieso ich kein Veganer bin

Ich möchte jetzt gar keinen Blogeintrag darüber verfassen, wie schlecht Fleischkonsum für Mensch und Tier und Umwelt ist. Jeder der sich ein paar Gedanken machen kann, weiß das sowieso. Eigentlich erwarte ich mir eventuell ein paar hilfreiche Informationen für mich. Vielleicht gibt es Menschen die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben und weiter sind als ich.

Fangen wir von vorn an. Es ist mittlerweile einige Jahre her. Meinen ersten Migräneanfall hatte ich mit Mitte Zwanzig. Damals war mir das noch nicht so bewusst, dass das Migräne war, was sich so unangenehm mit Sehstörungen ankündigte. Ich hatte damals auch nur 1-2 mal im Jahr solch einen Anfall. Aber irgendwann wurde es immer mehr und immer mehr und fand schließlich seinen Höhepunkt als ich mich bereits seit einem guten halben Jahr vegan ernährt hatte. Nun bekam ich bereits wöchentlich eine Migräneaura, bei mir in Form von Sehstörungen und Übelkeit. Wöchentlich!!! Ich bekam es mit der Angst zu tun und bin erstmal zum Arzt. Mein Blutbild zeigte nichts ungewöhnliches. Das EEG war in Ordnung und im MRT zeigte sich mein Köpfchen auch von seiner besten Seite. Soweit so gut. Also warum diese häufigen Migräneattacken? Nach einer Unterhaltung mit der Ärztin habe ich meiner Ernährung wieder tierische Erzeugnisse zugefügt. Und was ist daraufhin passiert? Ja genau. Keine Anfälle mehr. Nichts. Keine Aura oder ähnliches. Alles war gut.
Keine Migräne mehr, nur weil ich wieder Fleisch gegessen habe? Im Internet habe ich eher immer vom Gegenteil gelesen. Und ich habe gegoogelt und gegoogelt, aber nichts gefunden, was meiner Erfahrung gleich käme. Ich habe natürlich eine Theorie. Migräne ist mit Epilepsie verwandt und bei manchen Formen der Epilepsie versucht man mit der Gabe von Vitamin B6 diese zu therapieren. Vielleicht ist es ja ein Vitamin B irgendwas Mangel bei mir? Vielleicht eine Kombi aus Mangel und Malabsorption?.
Ich würde mich gerne vegetarisch/vegan ernähren, aber die Angst vor diesen Migräneattacken ist echt groß und so esse ich sehr regelmäßig Fleisch und verdränge den Teil von mir, der das gar nicht so toll findet.
Jetzt vorm Marathon möchte ich allerdings keine großen Experimente mehr wagen, aber danach würde ich das gerne mal wieder angehen.
Kommt das jemandem bekannt vor? Oder kennst du jemanden, der ähnliche Probleme hat/hatte. Über einen Austausch würde ich mich echt freuen.

P.S. im November letztes Jahr hatte ich das erste mal nach vielen Jahren wieder einen Migräneanfall. Und holla die Waldfee, der war so schlimm, mit kotzen, heulen, fluchen. Sogar am nächsten Tag fühlte ich mich noch angeschlagen. Seitdem achte ich wieder intensiver auf regelmäßige Fleischportionen.










Dienstag, 2. Januar 2018

Vom Raucher zum Marathon (ganz bald)

Auf diesen Augenblick warte ich ja schon länger. Diesen Augenblick, dass ich genau diesen Blogeintrag schreiben kann. Einen Vorgänger gibt es bereits guckst du hier
Nun sind es nur noch knapp drei Monate bis ich meinen ersten Marathon laufen werde. ICH, Isabel, 20 Jahre leidenschaftliche Raucherin, werde einen Marathon laufen. Nicht nur die Tatsache, dass ich ewig lange geraucht habe, nein auch diese, dass ich Laufen eigentlich immer voll blöd fand, machen die Tatsache, dass ich 42,195 km am Stück laufen werde irgendwie, für mich zumindest, unglaublich.
Warum ich nochmal mit dem laufen angefangen habe? Wie gesagt, war ich Raucherin und das auch meistens gerne, da ich aber wusste, dass das nicht mein Lebensweg ist, immer zu rauchen, weil ich Rauchen zum Schluss auch wirklich nur noch als Übel empfunden habe und meistens gar nicht so wirklich entspannt war nach der Kippe, wusste ich doch genau, dass jede Zigarette absoluter Stress für den Organismus bedeutet, musste sich halt was ändern. Also habe ich schließlich am 17.9.15 das Rauchen (mal wieder) aufgegeben und weil ich auch noch ein leidenschaftlicher Esser bin und ich eine Diät nicht mit einem Rauchentzug verbinden konnte, musste ich mich also mehr als nur zum Kühlschrank bewegen. Und da ich wusste, dass ich viel Nervennahrung brauchen würde, musste ich etwas machen was viele, viele Kalorien verbrennt und irgendwie auch die Lust am Rauchen hemmt. Ich entschied mich für's Laufen!!!
Seitdem laufe ich. Regelmäßig. Gerne. Nein...SEHR gerne! Das was ich am meisten gefürchtet hatte, ist mir (fast) das Liebste in meinem Leben geworden. Wer hätte das gedacht?!
Nach einem knappen Jahr des Lauftrainings lief ich auch schon meinen ersten Halbmarathon. Das war ein super Gefühl. Über die Ziellinie zu laufen und zu realisieren was dein Körper da gerade geleistet hat. Ich habe früher immer gedacht, ich könnte so etwas nicht. Laufen. Geschweige denn einen Halbmarathon laufen.
Und ja, bis vor kurzem, oder vielleicht sogar jetzt noch ein bisschen, glaub(t)e ich, ich könne keinen Marathon laufen. Es verhielt sich nämlich so, dass ich, wenn ich mich der 20k Distanz näherte, entweder total ausgelutscht auf dem Zahnfleisch nach Hause gekrochen bin oder aber ich mir irgendeine schöne Verletzung zugezogen habe. Ersteres ist, so weiß ich jetzt, nur eine Sache eines gut trainierten Fettstoffwechsels und eine gute Versorgung während eines langen Laufs. Es gibt noch viele weitere Dinge die man beachten kann, um auf längeren Distanzen fitter zu sein, aber ich möchte hier jetzt auch gar nicht so tief in die Materie eintauchen. Mein Weg ist nicht unbedingt dein Weg zum Ziel. Jedenfalls habe ich bisher für mich herausgefunden, dass ich doch tatsächlich mehr als 22,5k laufen kann. Monate und Monate wollte eine längere Strecke einfach nicht klappen. Und jetzt Neujahr hat es dann doch noch geklappt. Ich lief insgesamt 28 Kilometer. Wieso hat's geklappt? Ich glaube, es lag daran, dass mein Startpunkt nicht auch mein Ziel war. Ich konnte also nicht abkürzen, ich musste durchhalten. Dann habe ich noch auf ausreichend Wasser/Dextro geachtet und bin wirklich langsam und entspannt gelaufen. Bloß den Puls ruhig halten. Und natürlich sind meine Beine mittlerweile stark genug, um solche Distanzen zu laufen.
Bis Kilometer 19 lief es auch eigentlich ganz gut und dann von jetzt auf gleich wollte mein Kopf mir einen Strich durch die Rechnung machen. Blödmann, dieser. Ich habe kurz pausiert, Wasser und Dextro zu mir genommen, bin in mich gegangen und habe mir nochmal gut zugeredet und bin langsam weiter. Die letzten 2-3 km waren dennoch krass. Zum einen taten mir mittlerweile echt die Muskeln weh und zum anderen wollte mein Kopf mir weis machen, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre einfach aufzuhören und sich abholen zu lassen. Aber manchmal, oder auch öfter, kann ich ja ziemlich stur sein, was mir bei solchen Dingen dann eine unglaubliche Hilfe ist. Ich hab's auf jeden Fall geschafft und bin die ganze Strecke allein gelaufen. Na bitte, geht doch. Dass ich das geschafft habe, hat mir gezeigt und mich darin bestärkt, dass ich diesen Marathon schaffen werde. Ich habe diesen Lauf für meinen Kopf gebraucht.
Der Lauf ist jetzt 32 Stunden her und so langsam zeigt sich das Ausmaß der "Zerstörung". Es wäre auch zu schön gewesen, hätte ich diesen Lauf ohne größere Probleme beenden können. Meine Muskulatur fühlt sich etwas verhärtet an, ich habe glücklicherweise nur recht leichten Muskelkater in den Oberschenkeln. Was mir mehr Sorge macht ist mein rechter Vorderfuß. Da ist so ein ganz komischer, leichter, latenter Schmerz. Wenn ich drück oder gehe spüre ich eigentlich kaum Schmerz, dafür aber, wenn der Fuß ruht. Ich werde das beobachten und hoffe mal, dass es sich wieder gibt, damit ich ganz bald weiter trainieren kann. Jetzt habe ich Blut geleckt und will's wissen ;-)
Und damit ich, so hoffe ich, noch etwas fitter sein werde, habe ich mir vorgenommen bis zum Marathon auf Alkohol zu verzichten und auch die Süßigkeiten wegzulassen. Ich bin ja ein absoluter Zuckerjunkie und es verhält sich mit dem Zucker bei mir wie mit dem Rauchen. Entweder ganz oder gar nicht. Nur so ein bisschen kann ich nicht. Esse ich auch nur einen Riegel Schokolade, verengen sich meine Pupillen, das Gehirn klinkt sich aus und ich inhaliere binnen Sekunden die ganze 300g Tafel. Es ist ein Desaster! Ich kann leider gar nicht so viel laufen, wie ich Schokolade essen möchte.

Und was ich damit jetzt sagen möchte? Du schaffst das! Vielleicht nicht sofort, vielleicht mit vielen Hindernissen, aber du schaffst das. In den etwas mehr als zwei Jahren konnte ich viele spannende Geschichten von anderen Läufern verfolgen, wie sie pausieren mussten wegen doofer, ungeplanter Verletzungen, wie sie dann ganz langsam wieder mit dem Training anfingen und dann Monate später einen Ultra liefen. Wenn du es wirklich willst, dann schaffst du das auch!
Marathon....ich komme!