Dienstag, 26. Juli 2016

Generation "Smombie"


Einem Gefängnis gleich, mein Herz sich windet,
jammert, heult, und trägt sein Leid,
leise in Verschwiegenheit.

Sei still, sei still, du dummes Ding,
kein Wort hat je an Klang gewonnen,
sich verstrickt und neu gesponnen.

Düster ist die Welt trotz all des Lichts,
und meine Hände greifen,
immer nur in bitt'res Nichts.




"Ihr seid voll die Smombies", so beschwert sich manchmal unsere große Tochter, wenn wir wieder mal unsere Augen und Finger nicht von unseren Handy lassen können. Ich lachte immer darüber. Auch wenn sich andere beschwerten, dass man wieder die ganze Zeit mit seinem Handy beschäftigt sei, winkte ich nur ab. So ist das halt heutzutage. Die Zeiten ändern sich. Der Mensch hat viele Fragen und mein Handy kann sie mir alle beantworten. Oder? 
Natürlich ist es ungemein praktisch immer und überall Zugriff auf das World Wide Web zu haben. Schon oft wollte ich spontan eine Adresse wissen oder jemandem ein Bild von etwas, dass man gerade entdeckt hatte, schicken. Oder man diskutierte gerade und ist sich einer Sache sehr uneinig und googelt mal schnell, um zu sehen, wer denn nun Recht hat. Alles gut und schön. Und all das würde im Idealfall auch gar nicht so lange dauern. Doch in Wirklichkeit hängen wir ständig vor unseren Handys. Schuld sind vor allem diese sozialen Netzwerke. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, die vielleicht nicht süchtig sind, doch die meisten sind es leider schon. Ständig muss man schauen, was der andere denn gepostet hat. Was gibt es Neues? Welche Bilder sind neu? Lustige Videos. Schockierende Videos. Bilder die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Verwirrende Statusmeldungen. Nonsens. Zumindest sehr viel davon.
Ich will das jetzt nicht verteufeln, denn im Grunde ist es doch eine schöne Sache von seinen Freunden zu lesen. Ich lese und sehe gern die Neuigkeiten meiner Freunde. Aber viel lieber würde ich sie gerne in Echt und in Farbe sehen. Würde einen Kaffee oder auch mal ein Bier mit ihnen trinken. Die Wahrheit ist, ich sehe meine Freunde viel zu selten. Zum einen liegt es natürlich daran, dass die meisten berufstätig sind oder Kinder haben. Viele wohnen aber auch einfach zu weit weg, um sich mal eben so zu treffen. 
Ich würde mich echt freuen, meine Freunde öfter treffen zu können. Nun, jedenfalls ist es aus eben diesen Gründen schon ganz schön, zumindest von ihnen zu lesen. Oder?
Schon oft überlegte ich, mich von all diesen sozialen Netzwerken zu befreien. Im Grunde rauben sie mir nur meine Zeit. Klar ist es ganz schön Feedback über den geposteten Lauf o.ä. zu erhalten. Aber ist das wichtig? Feedback erhalte ich auch von Menschen, die mir tatsächlich begegnen. Anders, aber viel wertvoller.
Ja, ich bin ziemlich hin und her gerissen. Ich frage mich halt, wie sich mein Leben verändern würde, wenn ich auf FB, Instagram und Co verzichten würde. Welche Freunde bleiben? Ich habe angst einsam zu sein und merke dabei gar nicht, dass ich es eigentlich schon bin. Natürlich habe ich viele Leute im www getroffen und auch ein wenig kennengelernt. Viele tolle Leute. Aber eben nicht um die Ecke. 
Eigentlich schreibe ich dieses hier jetzt nur, weil ich gestern beim Laufen um den See so ein einschneidendes Erlebnis hatte. Bei uns am See tummeln sich bei schönem Wetter immer sehr viele Menschen. Und als ich an der belebten Ecke vorbei lief, hätte ich beinahe angehalten, um mir die Leute einmal genauer anzuschauen. Es war wirklich gruselig. Da saßen überall Leute herum oder spazierten gemütlich umher. Alles ok, doch das Schlimme, nahezu jeder, ich tippe auf 90 - 95% der Leute hielt sich sein Handy vor die Nase. Beim gemeinsamen rumsitzen und spazieren gehen. Ich empfand diese Tatsache als sehr beunruhigend. Und sagte mir gleich, dass ich das bei mir ändern möchte. Ich möchte kein "Smombie" mehr sein. Wieso können wir uns nicht mehr vollste Aufmerksamkeit schenken. Den anderen sehen. Ihn so richtig sehen. Und nicht nur durch ein Handy. 
Natürlich sehe und erlebe ich viel beim Laufen. Aber auch sonst möchte ich einfach mehr von der Welt sehen. So ich Echt und Farbe und zum Riechen und Fühlen. Ich will die Welt mit allen Sinnen wieder erleben und nicht über einen kleinen Bildschirm entdecken.
Ich finde, es sollte nicht normal werden, dass man mit seinem Handy vor der Nase herumläuft. Kann doch nicht sein, dass wir glücklich sind als "Smombies"?










Freitag, 15. Juli 2016

Tagebuch einer Mutter - Frau sein

Mutter zu sein ist etwas sehr weibliches. Gibt es etwas weiblicheres als Mutter eines Babys zu sein, welches man an seinen Brüsten in den Schlaf singt? 
Ja, gibt es. Und das merkt man spätestens dann, wenn das kleine unschuldige, süße (ich könnt dich fressen) Baby, gar nicht mehr so Baby ist, sondern mittlerweile zu einem kleinen pöbelnden Diktator herangewachsen ist, der ständig etwas von dir will. Ständig. Ja, ständig. Also quasi immer. Und in der Regel ist man auch nicht schnell genug, um die Bedürfnisse des Alleinherrschers zu befriedigen. Dann wird in der Regel lauthals Unmut geäußert. Und das prompt und ohne Vorwarnung. Dein Kind gibt also Töne von sich, die sich direkt in deinen präfrontalen Cortex brennen. Das wars. Alle bisherigen Aktivitäten/Gedanken müssen augenblicklich eingestellt werden. Nicht mehr Herr der eigenen Bedürfnisse, müssen wir also dafür sorgen, dass die kleine Sirene da unten aufhört. 
Das Ärgerliche daran ist, dass man sich oft nicht um lebensnotwendige Dinge kümmern muss, nein, der Diktatorzwerg ist bereits bei kurzem Nichtbeachten äußerst ungehalten und wird nicht eher Halt machen, bevor du ihm nicht vollste Aufmerksamkeit schenkst.
Mittlerweile habe ich sogar den Eindruck, mein Kind weint und quengelt mit seinen fünf Jahren mehr als doppelt so viel, als noch im Babyalter. Das Schlimme ist, ich kann ihr jetzt keine Brust mehr anbieten. Ich kann es wahlweise mit Schokolade oder fernsehen versuchen und ja, oh Schande, ich habe es sogar schon getan. Ich bin schwach. Ich gebe es zu. Ich bin schwach und zeitweise egoistisch, denn ich will meine Bedürfnisse auch mal wieder befriedigen. Ich möchte wieder mehr Frau sein. Eine selbstbewusste, unabhängige Frau. Der Diktator lässt mich nicht. Immerhin weiß ich, wie ich ihn bestechen kann. Das gibt mir, bis das liebe Kind dann doch mal etwas selbstständiger geworden ist, etwas Freiheit zurück. Danke Schokolade. Danke (beklopptes) Fernsehprogramm. 
Lange wollte ich noch ein drittes Kind. Mittlerweile laufe ich diesem Gedanken schreiend davon und wenn ich dann doch mal mit dümmlichem Grinsen an süße, kleine Babys denke, dann knallt mir die Frau in mir links und rechts saftig eine ins Gesicht und schreit "Komm' zu dir!" 
Ja doch, irgendwann ist auch mal gut. Die Große ist mittlerweile ein zeitweise liebevoll, bekloppter Teenie geworden und fordert so auf ihre ganz persönlich pubertierende Art unsere Aufmerksamkeit ein. Es ist nahezu sinnlos, von einem Teeniegehirn Vernunft zu erwarten. Oder Verständnis. Teeniegehirne sind wegen Umbau bis auf Weiteres geschlossen. Aber ich muss mein großes Mädchen in Schutz nehmen, bisher hielten sich Pubertätseskapaden in Grenzen. (Drei mal kräftig auf Holz klopft) 
Nun, hat man seine Kinder erst einmal aus dem Gröbsten raus und sie würden sich nicht direkt umbringen, ließe man sie allein mit sich selbst, dann, ja dann erwacht allmählich die Frau in der Mutter. Also bei mit erwacht diese Frau seit ca. drei Jahren immer mal wieder, fällt aber leider oft unerwartet wieder ins Koma.
Nun ja, die Wahrheit ist, bist du erstmal Mutter, bist und bleibst du immer Mutter. Immer. So siehts aus. Viele Frauen sagen dann sowas wie: " Es ist das Schönste was mir passieren konnte, etc..." Ja und Nein. Kinder sind schon irgendwie ganz toll (wenn man Glück hat). Man kann viel Wundervolles erleben, weitergeben und wiederfinden. Doch manchmal denkt man auch mit voller Sehnsucht an die Zeit vor den Kindern zurück. Aber damals war ich auch nicht glücklicher. Ganz im Gegenteil. Ich muss zwar heute auf gewisse Dinge verzichten, mein Leben wurde aber im gleichen Zuge neu gefüllt. Gefüllt mit Dingen, die mir vorher nicht bewusst waren. Die Liebe zu den eigenen Kindern, die Freude sie wachsen und sich entwickeln zu sehen. Mutter sein, Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen, damit man ihn später hinaus in die Welt entlassen kann, das ist eine der tiefsten und bedeutendsten Erfahrungen die ich je gemacht habe. Und ich liebe und verfluche meine Kinder. Ja, ich wünsche sie manchmal zum Teufel. Dann wenn sie mich in meiner persönlichen Entfaltung stören. Mich stören, wenn ich müde bin und sie einfach wollen, dass ich ihnen jetzt noch die Elfengeschichte vorlese, damit sie besser einschlafen können. Das gehört dazu. Als Eltern gibt man mehr, als das man vielleicht zurückbekommt. Ich finde jedoch, dass die Liebe und das Vertrauen, welches mir meine Kinder entgegen bringen, mich gerne auf meine persönlichen Bedürfnisse verzichten lassen. Ganz wirklich wahr. Aber natürlich nicht immer. Ich besitze da eine gesunde Portion Egoismus. 

Nun versuche ich also die Frau in mir wieder zu beleben. Es kann vorkommen, dass man diese nahezu vergisst, vor allem wenn man rund um die Uhr mit diesem "Mutter-sein" beschäftigt ist. Ich habe zwei Kinder. Zwei liebreizende Mädchen, die fast einwandfrei funktionieren. Nein, also ich kann wirklich nicht klagen. Meine große Tochter hat zwar hin und wieder ihre Teenie-Schübe, aber darüber hinaus, kann ich wirklich stolz auf mein großes Mädchen sein. Und die Kleine überrascht uns alle immer wieder mit irgendwelchem Klamauk. Selten ein kleines Kind als so lustig empfunden. Nun wird es aber langsam wieder Zeit sich wieder etwas mehr Zeit für sich selbst zu nehmen. Das hört sich jetzt ein wenig so an, als würde man mit Kindern kaum Zeit für sich selbst haben. Nun bei manchen Eltern kann das durchaus stimmen. Bei vielen ist es aber wohl eher ausgeglichen. So wie bei mir. Dennoch ist man in den ersten Jahren etwas weniger auf sich bedacht. Was von der Natur gewollt und so auch völlig in Ordnung ist. Aber irgendwann ist ja auch mal gut. Ich gehöre definitiv zu den egoistischen Müttern, die ihre Kinder mal gerne, und auch mal länger, an die Großeltern verkauft oder die ihre Kinder bloß zu Kindergeburtstagen hinbringt, um dann schnell wieder zu verschwinden. In der Regel dauert so ein Kindergeburtstag ja auch nicht lange, da muss man sich sputen. Ich lache über all die Über-Eltern, die sich selbst ganz nach hinten stellen. Meine Kinder müssen schließlich auch lernen, dass sie sich mal hinten anstellen müssen.
Erziehung ist nicht leicht und heutzutage kann man so ziemlich alles falsch machen, was man versucht. Man scheint nie gut genug zu sein. Denn immer gibt es doch tatsächlich jemanden, der es besser weiß als du. Da kommt man doch total durcheinander. Aber inmitten der ganzen Verwirrung, ist es schließlich nur wichtig, dass wir keine Arschlöcher erziehen. Von Arschloch-Eltern will ich jetzt aber nicht anfangen, da kann man den Kleinen nur die Daumen drücken. 
Und in all diesen Gedanken steckt die Tatsache, dass ich erst durch die Mutterschaft zu einer richtigen Frau geworden bin. Ich wurde zu der Frau, die ich heute bin. Ich will damit nicht sagen, dass Frauen, die keine Mütter sind, keine richtigen Frauen sind. Quatsch! Ich kann Frauen verstehen, wenn sie sich gegen ein Kind entscheiden. Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber dieses Mutter-sein ist schon eine ziemlich krasse Lebenserfahrungssache.

Letztendlich ist es aber jedem selbst überlassen, wie, wo und mit wem er seinen Lebensweg entlang geht. Ich wünsche allen jedenfalls eine aufregende (Lebens)Reise.