Freitag, 13. April 2018

Ein Marathon der den Frühling brachte

Heute ist Freitag. Freitag der 13. wohlgemerkt. Für manche ein unheilschwangerer Tag. Für mich ein Freitag an dem ich endlich Zeit finde die Dinge die ich in Rotterdam auf der kleinen Reise zu meinem ersten Marathon erlebt habe aufzuschreiben. Vielleicht ist es auch gut dieses Erlebnis mit eine paar Tagen Abstand zu reflektieren. Die Euphorie ist abgeebbt und ich kann einen Blick auf dieses Erlebnis wiedergeben, welcher nicht endorphingetränkt ist.

Wir haben uns ja gute sieben Monate auf den Marathon in Rotterdam vorbereitet, begleitet von Bunert, bestens eingekleidet von New Balance und desweiteren unterstützt von laufen.de. Vielen lieben Dank!!!!
Ich möchte jetzt aber gar nicht so weit ausholen. Die Zeit bis zum Marathon war toll und lehrreich. Ich konnte mich an neue Grenzen heranwagen, bzw. musste ich das ja. Und manchmal musste ich einfach Fünfe gerade sein lassen und auf mein Bauchgefühl vertrauen. 
A propos Bauchgefühl. Ich bin Bunert und seiner Ausdauerschule für die Begleitung zum Marathon so unglaublich dankbar, auch wenn ich irgendwann, anfangs, weil ich verletzt war, später weil ich es terminlich nicht mehr hin bekam, den Trainingsplan komplett ignoriert habe. Es gibt Menschen denen hilft so ein Trainingsplan ungemein, weil er einen roten Faden und Sicherheit vermittelt. Für mich als Bauchläufer war es bald nur noch stressig. Ich meine, ich bin ja auch kein Profisportler und tue dies ausschließlich zur eigenen Belustigung und deswegen befand ich, ich habe mehr Spaß, wenn ich spontan bleiben kann. Davon ab, so ganz ohne Orientierungshilfe geht es auch nicht. Ich wusste z.B. das lange Läufe wichtig sind (30 - 35k oder 3 - 4 Stunden). Davon sollte man schon ein paar, vier bis fünf, gemacht haben. Schnellere Einheiten sind wichtig, Stabilisation der Körpermitte ist wichtig. Entspannung ist wichtig. Wenn ich jetzt in mich hineinhorche sagt mir mein Körper in der Regel, welches Training ich absolvieren kann, manchmal sagt es auch der Terminkalender, gut ist, wenn beide sich einig sind. Ist natürlich nicht immer so, aber ich habe das irgendwie hinbekommen. Kurz bevor es ernst wurde kamen natürlich auch Zweifel. Habe ich genug trainiert? War es ok nicht nach Plan zu trainieren? Vielleicht rächt es sich auf den hinteren Kilometern? Aber Zweifel hätte man bestimmt auch mit Trainingsplan gehabt. 

Wie war er denn nun, mein erster Marathon?

Die Kurzfassung: schrecklich, schön! Aber ich kann auch vorne beginnen und etwas weiter ausholen...Moment...*räusper*... Wir, Anja und ich, sind einen Tag vorher in Rotterdam angereist und haben unser Zimmer bezogen. Dann haben wir uns mit den anderen Teilnehmern zur Lagebesprechung getroffen und sind dann gemeinsam los um unsere Startnummern abzuholen.




Danach mussten Anja und ich noch schnell das Auto umparken, denn wir wollten keine 30€ pro Tag an Parkgebühren zahlen (Wucher). Mit unseren Fahrrädern fuhren wir wie der Blitz und als einzige mit Fahrradhelmen zurück zum Hotel, wo wir uns mit ein paar Leuten noch zum Laufen verabredet hatten. Etwas die Beine zu lockern kann ja nicht schaden. Immerhin war ich das letzte Mal am Dienstag unterwegs gewesen und dieser Lauf war so mies, dass ich echt an einer Teilnahme zweifelte. Auch die Tage danach hatte ich Probleme mit meiner rechten Wade/Achillessehne und zu allem Überfluss quälten mich noch Halsschmerzen, die erst am Freitag gänzlich verschwunden waren. 




Abends gab es dann die übliche Pastaparty und wir, naja ich zumindest, schlug mir ordentlich den Bauch voll. Danach brauchten wir unbedingt noch einen Verdauungsspaziergang. So sind wir noch ein bisschen durch Rotterdam geschlendert und haben ein Bierchen getrunken. Abends im Bett war ich allerdings noch echt aufgekratzt und konnte kaum schlafen. in der Nacht habe ich mich ständig hin und her gewälzt und hatte am Morgen das Gefühl, dass ich gar nicht wirklich geschlafen hätte. Naja, schlafen kann ich ja immer noch nach dem Marathon, dachte ich mir und kramte mir meine Sachen zurecht, die ich nachher für den Lauf brauchen würde und da ich erst um halb Elf starten würde, ging ich noch ausgiebig frühstücken. Ich trank sogar ganz mutig zwei Kaffee. Auf die Gefahr hin, dass ich auf der Strecke ständig pinkeln müsste. Anja verzichtete auf's Frühstück und machte sich bald los, um ihren 10er zu laufen. Jetzt war ich noch ne Stunde allein im Zimmer. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um die Strecke. Was wird mich erwarten? Werde ich durchhalten? Was ist mit meinem Bein? Wird das halten? Wir mein Herz das mitmachen? Was ist, wenn ich doch umkippe? Habe ich alles, was ich brauche für diese Distanz? Dann war ich ungefähr noch fünf mal zur Toilette (Angstpipi). Eigentlich muss man nicht, aber der Körper möchte sich gerne vor Angst in die Hose machen 😂
Ok, kurz vor Zehn. Es war Zeit sich mit den anderen zu treffen die mit mir in meiner Wave mit an den Start gingen. Jetzt wurde es ernst. Zusammen gingen wir in den Startbereich. Es waren so viele Menschen unterwegs. Es war der Wahnsinn. Laute Musik. Feiern. Jubeln. Anspannung. Urinierende Frauen hinter Mülltonnen, denn die Schlangen vor den Dixiklos waren ungefähr genauso lang, wie die zum Start. Jemand der "You'll never walk alone" singt und ja, man kann sagen, jetzt werde ich etwas rührselig, am liebsten möchte ich jemanden in den Arm nehmen, doch stattdessen seufze ich innerlich und fokussiere die bevorstehenden Stunden. S-t-u-n-d-e-n! Ich werde also mindestens die nächsten vier Stunden laufend verbringen. Vier Stunden laufen!! Also früher wäre ich lachend vom Stuhl gerutscht und mir wäre die Kippe dabei aus der Hand gefallen. Doch nun stehe ich im Startbereich, auf dem Weg zu meinem ersten Marathonfinish. Ich, Isabel, mit einer zwanzigjährigen Raucherkarriere. Nicht schlecht, denke ich. Und freue mich es zumindest bis hierhin geschafft zu haben.



Es ist soweit, ich überquere die Startlinie, ich mache mich auf den Weg 42,195 Kilometer zu laufen, sowie 15000 andere Läufer heute auch. Es fühlt sich alles noch so gut an, doch ich weiß, dass das nichts heißt. Also erstmal die ersten 10 Kilometer schaffen, danach kann ich wahrscheinlich etwas meine heutige Verfassung einschätzen. Ich versuche bewusst langsam zu laufen, also für mich eine Pace zwischen 6 und 6:30. 




So laufen die ersten Zehn auch ganz gut, so dass ich auf den nächsten zehn etwas mutiger werde und auch mal Kilometer in einer 5.40er Pace zurücklege. Doch als ich ungefähr die Hälfte der Strecke zurückgelegt habe, habe ich einen Einbruch. Ich muss wieder langsamer laufen. Meine Beine werden schwerer und mein Kopf macht sich gerade zu viele Gedanken. Bei Kilometer 28 erblicke ich ein paar bekannte Gesichter die mich herzlich vom Straßenrand her anfeuern und ein paar Meter weiter erkenne ich sogar unseren Fotografen, den Christian, obwohl er sich mit einer weißen Cappy getarnt hat. 



Immer wieder grübelnd und etwas zweifelnd schaffe ich die nächsten zehn Kilometer. Dann ab Kilometer 31,5, ich betrete bisher ungelaufenes Terrain und weiß, dass es wohl die härtesten zehn Kilometer werden, die ich jemals gelaufen bin. Und so war es auch. Hier begann es richtig hart zu werden. Bis Kilometer 35 kam ich noch einigermaßen durch, doch danach musste ich immer wieder mal gehen. Aber ich sah es locker. Ich fand, dass ich eigentlich ganz gut in der Zeit lag. Also immer mal verschnaufen und dann einfach weiter traben. Ich habe bisher auch ganz brav alle Versorgungen mitgenommen. Bis Kilometer zehn habe ich nur Wasser, bei 15 habe ich Dextrotäfelchen gegessen, bei 20 mal ein Gel, bei 25 nochmal Täfelchen, bei 30 so ein Zuckerwasser namens "AA". Ich musste anfangs etwas lachen, als die Menschen am Rand laut "AA" schrien. Bei Kilometer 30 nahm ich dankbar "AA" entgegen. Ich hab das zum Glück auch gut vertragen. Hier begann mein Körper auf die Anstrengung mit Gänsehaut zu reagieren. Ich wusste, dass das kacke ist, aber was sollte ich tun, außer noch mehr Zucker zu essen!?  Bei Kilometer 35 gab es dann "AA-Gel" (hihi)... brrr, es bekam mir zwar, aber die Konsistenz war echt nicht schön, ich hätte das beinahe nicht runterbekommen. Das war so super dickflüssig gewesen.



 So und nun wurde es richtig lustig...nicht. Zum Glück gab es diese vielen, unglaublich tollen Menschen am Straßenrand. Alle jubeln dir zu, reichen Getränke und kleine Snacks, feuern dich an, rufen deinen Namen, spielen Musik, klatschen, pfeifen. Immer wieder wenn ich gehen musste, waren da Menschen die mir wohlwollend zuriefen, dass ich es gut mache und schaffen werde, einmal fing eine Gruppe so an zu jubeln, als ich wieder los lief, als wäre es das größte überhaupt. Das hat so unglaublich motiviert und einen gestärkt, obwohl man schon eigentlich sein Limit erreicht hat. Es war zwar sauanstrengend, doch die Menschen zauberten immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht.



Als ich endlich bei Kilometer 40 angekommen war konnte ich einfach keinen Zucker mehr sehen. Ich wollte nie wieder Zucker essen müssen und so nahm ich nur noch einmal Wasser zu mir und konzentrierte mich auf die letzten zwei Kilometer. Wahnsinn. Nur noch zwei. ZWEI! Ich war dem Ziel so nah. Ich spürte meinen müden Körper, meine Beine, meine Muskulatur, die einfach gerne mal nichts gemacht hätte. Stopp reicht! Doch es sind nur noch zwei. Los, nochmal zusammen reißen, alle Kraft mobilisieren und endlich die Ziellinie passieren. Das wird toll, wenn du gleich nicht mehr laufen musst. Freude kam auf, aber diese konnte ich leider nicht mehr auf meine Gesichtsmuskeln transportieren. Jetzt wollte ich nur noch den Marathon beenden. Das Ende war in Sicht. Endlich!







Und dann war es geschafft. Ich finishte meinen ersten Marathon. Als ich die ersten Meter hinter der Ziellinie ging hatte ich etwas Mühe tief durchzuatmen. Meine Bronchien waren etwas dicht, das lenkte mich etwas von meinen schmerzenden Waden ab :D Dann nahm ich dankbar diese wunderbare goldene Medaille entgegen und etwas später reichte man mir noch eine Rose. Jetzt wollte ich nur noch ins Hotel duschen und frische Klamotten anziehen und vor allem irgendwas ohne Zucker essen.

Fazit: Es war echt anstrengend, es tat weh, es war lang, aber ich werde es wieder tun. Ich glaube, lange Läufe sind echt mein Ding!

Und wie war es danach?

Ich erinnere mich an den Montag danach. Einen Tag nach dem Marathon. Ich war wieder Zuhause. Es ist Abends. So gegen Acht. Es ist in ungefähr die Zeit, zu welcher ich gerne mit meinem kleinen Hund noch eine Runde um den Häuserblock gehe. Als ich also, noch völlig glückbeladen und selig, mit meinem Hund spazieren gehe, stelle ich fest, dass seit diesem Wochenende der Frühling endlich eingekehrt ist. Ich sehe überall Knospen an den Bäumen und Sträuchern. Ich fühle die Wärme der Sonne und kann sogar noch die Wärme die der Asphalt vom Tage gespeichert hat riechen. Ein wohliger Schauer durchfährt mich. Ein kleiner Glücksmoment. Die Erkenntnis den Marathon geschafft und damit gleichzeitig den Winter verabschiedet zu haben. Die Schmerzen sind fast vergessen. Natürlich erinnert mich mein Muskelkater noch daran was am Tag zuvor geschehen ist, doch ich fühle mich leicht und zufrieden. Meine Seele ist beflügelt. In Gedanken plane ich schon den nächsten Marathon. 


Ich möchte noch sagen...

...Danke! Danke an die tolle Truppe von #deinerstermarathon. Es war wunderbar mit euch an den Start zu gehen, zu erleben, wie ihr euren ersten Marathon meistert. Danke an diejenigen die nicht starten konnten, dass ihr uns dennoch angefeuert und unterstützt habt. 
Lieben Dank an Anja, die mein ganz persönlicher TT (Taschentrottel) an diesem Tag war. Sie trug zwar keine Tasche von mir, aber sie verfolgte mich auf der Strecke und feuerte mich an diversen Stellen immer wieder an. Und nahm mich nach dem Lauf in Empfang und war einfach da für mich ... Ich drück dich dafür!!!
Danke an NewBalance für die tolle Ausstattung. Danke an Bunert, die uns läuferisch so wunderbar unterstützt und begleitet haben. Und ein riesen Dankeschön an Christian, der uns in dieser Zeit fotografisch begleitet hat und so viele tolle Erinnerungen geschaffen hat.
Danke, für diese aufregende, anstrengende und wundervolle Zeit!!!